Jünger im BootLieber Leser/innen unseres Sonntagsgrußes!

An einem kühlen Sommertag vor einigen Jahren. Ich stehe am Ufer eines großen Sees und halte Ausschau. Ich genieße die Weite und die Stimmung. Dann kommen unruhige Gedanken: Wir tief ist eigentlich dieser See? Wir lange braucht man wohl, um ans andere Ufer zu kommen? Vor mir liegen einige Segelboote. Gemeinsam mit Freunden sind wir unterwegs. Sie haben gerade ihren Segelschein gemacht. Ich schaue in den Himmel. Regen und Sturm deuten sich an. Noch ein Schritt ins Boot. Der Wind ist schon da. Das Boot wird immer wieder an den Steg gedrückt, dann bewegt es sich ein Stück zurück. Es wackelt bedenklich. Wie tief ist noch mal das Wasser? Ich überlege. Einsteigen oder nicht?

Dieses mulmige Gefühl haben wir sicherlich alle schon erlebt. Soll ich einen mutigen Schritt wagen oder nicht? Ist eine Entscheidung richtig oder nicht? Manchmal sind es nicht die äußeren Wellen, die uns beunruhigen, sondern die inneren, die uns ins Wanken bringen. Ängste und Zweifel werden laut.

Die Jünger Jesu erleben eine ähnliche Situation. Sie wagen sich aufs Wasser. Wir lesen davon im heutigen Predigttext (Mt 14, 22-33): 22 Und alsbald trieb Jesus seine Jünger, in das Boot zu steigen und vor ihm hinüberzufahren, bis er das Volk gehen ließe. 23 Und als er das Volk hatte gehen lassen, stieg er allein auf einen Berg, um zu beten. Und am Abend war er dort allein. 24 Und das Boot war schon weit vom Land entfernt und kam in Not durch die Wellen; denn der Wind stand ihm entgegen. 25 Aber in der vierten Nachtwache kam Jesus zu ihnen und ging auf dem See. 26 Und als ihn die Jünger sahen auf dem See gehen, erschraken sie und riefen: Es ist ein Gespenst!, und schrien vor Furcht. 27 Aber sogleich redete Jesus mit ihnen und sprach: Seid getrost, ich bin's; fürchtet euch nicht! 28 Petrus aber antwortete ihm und sprach: Herr, bist du es, so befiehl mir, zu dir zu kommen auf dem Wasser. 29 Und er sprach: Komm her! Und Petrus stieg aus dem Boot und ging auf dem Wasser und kam auf Jesus zu. 30 Als er aber den starken Wind sah, erschrak er und begann zu sinken und schrie: Herr, hilf mir! 31 Jesus aber streckte sogleich die Hand aus und ergriff ihn und sprach zu ihm: Du Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt? 32 Und sie traten in das Boot und der Wind legte sich. 33 Die aber im Boot waren, fielen vor ihm nieder und sprachen: Du bist wahrhaftig Gottes Sohn!

Die Jünger im Boot. Wind kommt auf. Das Boot gerät in Not. Manch einer von ihnen wird nun wohl Zweifel bekommen. War das Wagnis richtig? Wie geht es aus? Da sehen sie eine Gestalt und bekommen noch mehr Angst. Ein Gespenst. Doch dann hören sie eine Stimme. Sie erkennen Jesus, der sagt: „Seid getrost, ich bin‘s, fürchtet Euch nicht“. Das Ungewisse, die Angst, weicht. Es war doch kein Fehler ins Boot zu steigen, denn Jesus ist ja da. Erleichterung. Alles ist gut. Hier könnte die Geschichte enden.

Doch weit gefehlt. Sie fängt erst richtig an. Denn wir haben Petrus vergessen mit seiner Waghalsigkeit. Ich höre so manchen seiner Freunde sagen. „Schon wieder Petrus! Gerade haben wir aufgeatmet! Hätten wir ihn bloß an Land gelassen!“ Da sagt er doch glatt: „Herr, bist Du es? So befiehl mir, zu dir zu kommen auf dem Wasser!“ „Nein, das wird Jesus jetzt nicht tun!“, denkt ein Jünger. Aber Jesus sagt tatsächlich: „Komm her!“. Das Herz bleibt so manchem wohl stehen: „Oh nein, bitte nicht noch ein Abenteuer.“ Ein anderer mag denken: „Soll er doch gehen auf dem Wasser. Er wird schon merken, was passiert.“ Wieder ein anderer fragt: „Woher hat Petrus diesen Mut?“

Das frage ich mich auch! Woher kommt sein Mut? Ich denke an bewundernswerte Menschen, die sich etwas trauen, die mutig ihre Wege gehen auch auf die Gefahr hin, zu sinken.

Da fällt mir ein Sprichwort ein: Und die, die tanzten, wurden für verrückt gehalten von denen, die die Musik nicht hören konnten.

Hat Petrus hier eine vertrauensvolle Glaubensmusik gehört, die die anderen noch nicht hörten?        Es geht ja bei einem mutigen Schritt immer auch um die Frage: Ist Jesus an meiner Seite, wenn ich sinke? Petrus wagt den Sprung. Er sinkt. Er ruft um Hilfe und da ist eine Hand, die ihn herauszieht.

Was für eine Erfahrung! Was wird Petrus daraus schließen? Wird er wieder einen mutigen Schritt wagen? Ich glaube ja. Denn die Erfahrung, dass trotz schwindendem Mut ein Halt da ist, macht sicherer, wieder mutig zu sein. Und die anderen Jünger? Sie beobachten, was mit diesem mutigen Petrus geschieht und sehen: Ja, so kann es gehen. So können wir uns auf das Wagnis einlassen, Jesus entgegen zu gehen. Sie hören vielleicht nun auch die Musik, die sie zum Tanzen auffordert. Ja, der Glaube kann ein Wagnis sein. Da ist die Frage: Wird dieser Jesus wirklich da sein, wenn ich ihm vertraue?

Wie ist das in unserem Leben? Wie erfahren wir, dass Jesus da ist? Wie ist er eine Hilfe, wenn wir mutig gegangen sind und drohen zu sinken? Ich sehe die ausgestreckte Hand in Menschen, die für mich da sind, die mich auch auf meinem Glaubensweg ermutigen und die sagen: Ja, Du kannst Dich trauen. Wir alle könnten wahrscheinlich solche Erfahrungen teilen, in denen wir Gottes Hilfe durch andere erfahren haben. Vielleicht hat Gott sie beauftragt, für uns da zu sein und zu rufen wie Jesus: „Komm her!“. „Ich bat Gott um Hilfe und er schickte sie mir durch andere Menschen.“ Diesen Satz habe ich einmal gehört. Mir fällt dazu ein Text ein:

Christus hat keine Hände, nur unsere Hände, um seine Arbeit heute zu tun.
Er hat keine Füße, nur unsere Füße, um Menschen auf seinen Weg zu führen.
Christus hat keine Lippen, nur unsere Lippen, um Menschen von ihm zu erzählen.
Er hat keine Hilfe, nur unsere Hilfe, um Menschen an seine Seite zu bringen.

Durch andere Menschen kann Jesus sich zeigen. Manchmal kann es auch ein Bibelvers sein, ein Gedanke, ein Bild. Ja, die Hilfen sind vielfältig und ich möchte Herzen und Sinne dafür öffnen, sie zu erkennen und mich auf sie zu verlassen.

Ich stehe noch immer am Ufer und überlege. Das Boot stößt durch den Wind an den Steg. Ein Schritt noch hinein. Ich denke an Petrus und seinen Mut. Lieber wollte er wohl für verrückt gehalten werden, als die Aufforderung zum Tanz zu überhören und etwas zu versäumen. Darin ist er mir ein Vorbild. Auch ich möchte wagen, auf diese Musik zu hören. Da streckt mir auch schon jemand aus dem Boot heraus eine Hand entgegen. „Komm her!“ höre ich. Eine Freundin lächelt mich an. Ich weiß, dass ich nicht immer so mutig sein kann wie Petrus und dass nicht jedes Abenteuer so harmlos sein kann wie ein Segelausflug, aber auf einmal fällt es mir leichter den Schritt ins Boot zu wagen. In diesem Moment ist es, als beginne ein Tanz und die Sehnsucht nach solch mutigen Tänzen in meinem Leben überkommt mich plötzlich.

Einen gesegneten Sonntag wünscht, auch im Namen von Jutta Richter-Schröder und Hardy Rheineck, Gudrun Schlottmann

 
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