Liebe Leserinnen und Leser,
ich gestehe, ich mag dieses verhaltene und doch starke Lied gerne: „Der Morgenstern ist aufgedrungen“. Der Morgenstern dringt hervor aus der Dunkelheit. Sein Licht ist unaufhaltsam. Das erste Licht des Morgens. Es kündigt das Licht des neuen Tages an.
Der Tag ist die Zeit, in der wir wach sind, am Tag können wir unser Leben spüren, gestalten, Wege sehen, gehen und auch bewältigen. Wer manchmal nachts wach liegt und ins Dunkel schaut, weiß zu schätzen, wenn der Morgen kommt und Dinge ins rechte Licht rückt. Manche Sorgen macht das kleiner. 

Morgenstern

Der Morgenstern ist auch ein Bild der frühen Kirche, ein Symbol, dafür, wer Christus für uns ist, was er für die Menschen bedeutet. Er ist ein wie heller Schein in einer dunklen Zeit. Seine Worte berühren. Menschen schauen auf ihn. Das ermutigt sie sie.


So hat einer im Namen des Apostel Petrus damals an die Gemeinden geschrieben:
„Achtet darauf als auf ein Licht, das da scheint an einem dunklen Ort, bis der Tag anbreche und der Morgenstern aufgehe in euren Herzen.“ (2. Petrusbrief, 1,19)
Das ermutigte Menschen zu einer Zeit, als Christen bedrängt und verfolgt wurden -, und es ermutigte immer wieder, durch alle Zeiten bis heute und auf ganz unterschiedliche Weise.

Martin Luther fasste es in poetische Worte und Musik. In seinem Weihnachtslied „Gelobet seist du, Jesu Christ“ heißt es:

Das ewig Licht geht da herein,
Gibt der Welt einen neuen Schein,
Es leucht wohl mitten in der Nacht
Und uns des Lichtes Kinder macht. (EG 23, 4)

Darin klingt die Befreiung nach, die Luther für sich selbst erlebt hatte. Er erkannte, dass er nicht durch seine Guttaten gerecht wird und sich die Liebe Gottes verdienen kann und muß, sondern durch die Gnade und Liebe Gottes schon angenommen ist.
Wir sind Kinder dieses besonderen Lichtes, dichtet er. Kinder des neuen Scheins, der mit Christus in die Welt kommt und Menschen befreit. Das ist der Morgenstern, der aufgehen kann in unseren Herzen. Der Morgenstern ist da wie ein Bruder des Sterns von Bethlehem und der Lichter der Weihnachtszeit.

Kann man ein solches Weihnachtslicht, Sternenlicht
bewahren? Kann ich einen Vorrat an Licht sozusagen mitnehmen ins Jahr? Dass es mir in dunklen Moment gut tut? Dass es auch andere ins Licht wieder hineinbringt?
Dass Augen leuchten? Gesichter strahlen? Etwas heil wird, das sonst im Dunkel liegt?

Ich denke an einen Gottesdienst in einem Seniorenheim. Auch dort ist ja im Moment weniger Lebendigkeit und vieles schwierig. Aber Pfarrer dürfen Gottesdienste mit den Bewohnern dort feiern. Ich erlebe: Die Gottesdienste dort finden eine große Wertschätzung. Ganz unterschiedliche Menschen kommen. Manche folgen sehr aufmerksam, anderen fällt es schwer. Als wir singen:

Nun laßt uns gehn und treten
mit Singen und mit Beten,
zum Herrn, der unserm Leben
bis hierher Kraft gegeben. (EG 58, 1)

singt eine Frau, die vorher fast weggetreten schien, plötzlich ganz sicher und fein die Melodie mit. Als wir aufhören, singt sie noch weiter, glücklich, strahlend. Dann sagt sie: „Schön!“ Sie spürt, ich bin richtig, ich bin heil. In die Dunkelheit ihrer Demenz ist ein Lichtstrahl gefallen, in ihrem Herzen der Morgenstern aufgegangen.
Es war ein glücklicher Moment nicht nur für sie.

Vielleicht kennen Sie ganz andere Morgenstern-Momente. Ein Gebet wird gesprochen. Ein Kind wird geboren. Liebe geschieht. Wir erleben Bewahrung und werden uns dessen auch bewusst. Etwas ereignet sich, und ein Licht geht in uns auf. Wir strahlen, in uns strahlt es. Wir sind beschenkt.
Kleine Boten, Morgensterne aus dem Weihnachtslicht des Kindes von Bethlehem. Morgenstern-Momente erinnern uns: Gott will eine gute Zukunft für uns.
Jutta Richter-Schröder

 
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